Verdauung

Verdauung
Ver|dau|ung 〈f. 20; unz.〉
1. Vorgang des Verdauens, Umwandlung der Nahrung im Körper
● die \Verdauung förderndes Mittel; gute, schlechte \Verdauung haben; wie ist Ihre \Verdauung?

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Ver|dau|ung [ahd. firdouwen = (eigtl.) verflüssigen, auflösen]: die Gesamtheit der mechanischen u. enzymatisch-chemischen Prozesse in Mundhöhle u. bes. in Magen u. Darm (Verdauungstrakt, Gastrointestinaltrakt), durch welche die dem Organismus zugeführten Nahrungsstoffe in niedermol., wasserlösliche u. resorptionsfähige Substanzen zerlegt werden. Diese ihrerseits werden entweder im Baustoffwechsel dem Aufbau körpereigener Substanz zugeführt oder im Energiestoffwechsel zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen »verbrannt«, d. h. haupts. zu CO2 u. H2O abgebaut. Bei den Verdauungsenzymen handelt es sich um Hydrolasen, u. zwar werden Kohlenhydrate durch Amylase u. a. Glykosidasen, Fette durch Lipase u. a. Esterasen, Eiweiße durch Proteinasen u. Peptidasen u. die Nukleinsäuren durch Nukleasen hydrolysiert. Die Regulation der Enzymtätigkeit wird hormonell gesteuert (gastrointestinale Hormone, Pankreashormone).

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Ver|dau|ung, die; -, -en [spätmhd. verdöuwunge]:
Vorgang des ↑ Verdauens (1):
jmds. V. ist gestört;
eine gute, normale V. haben;
an schlechter V. leiden;
für bessere V. sorgen.

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Verdau|ung,
 
Digestion, die Umwandlung der zugeführten Nahrungsstoffe in eine zur Aufnahme in die Körpersäfte geeignete Form. Die unlöslichen oder schwer löslichen hochmolekularen organischen Nährstoffe werden durch die Verdauungsäfte in wasserlöslichen Verbindungen mit niedrigem Molekulargewicht umgewandelt, während Wasser, Vitamine sowie die meisten Salze und Spurenelemente ohne Veränderung aufgenommen werden. Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate werden zerlegt, um dann nach der Resorption zum Aufbau körpereigener Substanz beziehungsweise im Rahmen der abbauenden Stoffwechselreaktionen zur Unterhaltung der Energie liefernden Prozesse zu dienen.
 
Beim Menschen und den höheren Säugetieren beginnt die Verdauung im Mund mit der Zerkleinerung der Nahrung durch Kauen und der Durchmischung mit Speichel, dessen Enzyme (Ptyalin; Maltase) die Verdauung der Kohlenhydrate einleiten. Beim Schlucken gelangt die eingespeichelte, zerkleinerte Nahrung durch die Speiseröhre in den Magen; hier wird sie durch perisaltischen Kontraktionen mit dem Magensaft, der Verdauungsenzyme (Pepsin), Kationen, Anionen, Schleim, den Intrinsic Factor und Salzsäurelösung enthält, vermischt und in den Speisebrei (Chymus) umgewandelt. Dieser gelangt durch den Magenpförtner in den Zwölffingerdarm als ersten Abschnitt des Dünndarms. Im Dünndarm wird der Chymus mit Sekreten der Darmschleimhaut, dem Sekret der Bauchspeicheldrüse sowie der Galle durchmischt und die Verdauung fortgesetzt; außerdem wird der nach der Magenpassage saure Chymus durch die alkalischen Sekrete der Brunner-Drüsen und der Bauchspeicheldrüse neutralisiert, was für die Enzymwirkung notwendig ist. Die Fette werden durch Gallensäuren emulgiert und durch die Lipase der Bauchspeicheldrüse in Glycerin und Fettsäuren zerlegt; Kohlenhydrate werden durch die Amylase der Bauchspeicheldrüse und die von der Darmschleimhaut sezernierten Enzyme Maltase, Lactase und Saccharase bis auf die Stufe der Monosaccharide abgebaut; die bereits im Magen zu Polypeptiden abgebauten Proteine werden durch die Pankreasenzyme Chymotrypsin, Trypsin, Carboxypeptidase sowie Aminopeptidasen und Dipeptidasen (aus der Darmschleimhaut) zu Aminosäuren und Oligopeptiden abgebaut. Die Sekretionstätigkeit der Verdauungsdrüsen und die Motilität des Magen-Darm-Kanals werden durch den Parasympathikus und in geringerem Maße durch den Sympathikus sowie durch gastrointestinale Hormone (z. B. Gastrin, Sekretin) beeinflusst. Peristaltische und pendelnde Darmbewegungen unterstützen den Transport und gewährleisten eine gute, die Resorption unterstützende Durchmischung des Chymus.
 
Die Resorption der Verdauungsendprodukte findet v. a. im Dünndarm statt, begünstigt durch dessen besonders große Oberfläche und die starke Durchblutung der Darmschleimhaut (v. a. während der Verdauungsphase). Bei der Resorption spielen neben freier Diffusion, erleichterter Diffusion und Osmose v. a. aktive, Energie verbrauchende Transportprozesse eine wichtige Rolle. Die Spaltprodukte der Proteine (Aminosäuren und Oligopeptide) werden über spezielle Transportsysteme (allein für Aminosäuren sind vier Systeme nachgewiesen) in die Darmepithelzellen (Enterozyten) eingeschleust; hier werden die Oligopeptide weiter zu Aminosäuren gespalten, die durch freie Diffusion, erleichterte Diffusion oder aktiven Transport ins Blut übergehen. Als Spaltprodukte der Kohlenhydrate werden nur die Monosaccharide resorbiert, wobei u. a. Glucose und Galaktose über aktiven Transport, Fructose über erleichterte Diffusion und Pentosen über freie Diffusion in die Blutbahn aufgenommen werden. Von den Fetten diffundieren die kurz- und mittelkettigen Fettsäuren direkt über die Enterozyten ins Blut. Langkettige Fettsäuren und Cholesterin können erst nach Aufnahme in Micellen resorbiert werden; in den Enterozyten werden die Bruchstücke wieder zu Triglyceriden, Cholesterin und Phospholipiden zusammengebaut und durch Bindung an verschiedene Proteine in Lipoproteine überführt, die dann an die Lymphgefäße abgegeben werden und über den Ductus thoracicus ins Blut gelangen. Die Resorption der fettlöslichen Vitamine ist an die Fettresorption gebunden; von den wasserlöslichen Vitaminen werden Vitamin C und Riboflavin durch Diffusion, Vitamin B12 gebunden an den Intrinsic Factor im Krummdarm aufgenommen. Wasser und Salze werden v. a. im oberen Dünndarm resorbiert, wobei - je nach Ionenart und Resorptionsort - aktive oder passive Transportprozesse vorliegen.
 
Im Dickdarm werden neben Resten der aufgeschlossenen Nahrung v. a. große Mengen Wasser (etwa 5-6 Liter je Tag) resorbiert, das bei der Magen-Darm-Passage mit den Verdauungssäften dem Nahrungsbrei zugegeben wurde; dies führt zur Eindickung des Kotes und ermöglicht dem Körper die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz. Außerdem befinden sich im Dickdarm Mikroorganismen (Darmflora), die von den Verdauungssäften nicht abgebaute Kohlenhydrate (durch Gärung) und Eiweiße (durch Fäulnis; Darmfäulnis) abbauen, wobei bei ausgewogener Kost ein Gleichgewicht zwischen beiden Prozessen besteht. Die Abbauprodukte diffundieren zum Teil ins Blut, der Rest wird mit dem Kot ausgeschieden. Bakterielle Eiweißabbauprodukte verursachen auch den unangenehmen Geruch der Darmgase. Unverdauliche faserreiche pflanzliche Nahrungsbestandteile (Ballaststoffe; u. a. Cellulose) begünstigen den Verdauungsvorgang, da sie u. a. die Darmperistaltik und die Sekretion von Verdauungssäften verstärken sowie die giftigen Wirkungen von Nahrungsbestandteilen durch Absorption abschwächen können.
 
Bei den meisten Tieren wird wie beim Menschen die Nahrung im Darm und somit extrazellulär verdaut. Einige niedere Tiere (z. B. Trichoplax) und viele Bakterien scheiden Verdauungsenzyme aus und nehmen die so extrazellulär erzeugten Verdauungsprodukte in die Zelle auf. Bei einigen anderen Gruppen der niederen Tiere wie Protozoen, Schwämmen und zum Teil Hohltieren hingegen findet die Verdauung intrazellulär in der Nahrungsvakuole statt; der Nahrungskörper liegt dabei außerhalb des Plasmas in einer Flüssigkeitsmenge; er darf nicht unmittelbar in das Plasma gelangen, da fremdes Eiweiß giftig wirkt. Extraintestinal (extraoral) ist die Verdauung bei manchen Insekten und Spinnen, die Verdauungsenzyme aus ihrem Mitteldarm auf die gelähmten Beutetiere spritzen, das Eiweiß dadurch zersetzen und dann aufsaugen.
 
Einige Pflanzenfresser (manche Schnecken und Holz fressende Käferlarven) können mit selbst erzeugter Cellulase die Cellulose spalten; viele Tiere verdauen die Cellulose mithilfe von Symbionten (Bakterien) in ihrem Darm, wobei bestimmte Darmteile als Gärkammern ausgebildet sind (Pansen und Netzmagen bei Wiederkäuern, Blinddarm bei Nagetieren und bei Pferden).
 
Unter den Pflanzen findet sich eine echte Verdauung nur bei Fleisch fressenden Pflanzen; extrazellulär sezernierte Enzyme ihrer Verdauungsdrüsen bauen zum Teil die organischen Bestandteile (besonders Eiweiß) der Beutetiere zu löslichen Verbindungen ab (v. a. Aminosäuren), die resorbiert werden und der Stickstoffversorgung dienen.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Darm · Ernährung · Fette · Kohlenhydrate · Magen · Proteine
 
 
G. Thews u. a.: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen (41991);
 
Biologie. Ein Lb., hg. v. G. Czihak u. a. (61996);
 
Biologie des Menschen, begr. v. K. D. Mörike, bearb. v. E. Betz u. a. (141997);
 
Physiologie des Menschen, hg. v. Robert F. Schmidt u. G. Thews (271997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Verdauungstrakt: Organe und Aufbau
 
Verdauung mithilfe von Verdauungssäften
 
Verdauung: Aufschließen und Bereitstellen
 

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Ver|dau|ung, die; - [spätmhd. verdöuwunge]: Vorgang des Verdauens (1): jmds. V. ist gestört; eine gute, normale V. haben; an schlechter V. leiden; für bessere V. sorgen; er leidet heute unter beschleunigter V. (scherzh.; er hat Durchfall).

Universal-Lexikon. 2012.

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